Zehn häufige Anfängerfehler beim Schreiben von Romanen (und wie man sie verhindert)

In meiner Tätigkeit als Lektorin habe ich nicht nur Kontakt zu erfahrenen Autor*innen. Immer wieder landen auch Romane auf meinem Schreibtisch, die der erste Schreibversuch der verfassenden Person sind. Dabei fallen mir immer wieder ähnliche Fehler auf, die bei jemandem mit mehr Erfahrung nicht mehr so oft vorkommen. Das ist auch keine Überraschung, denn Schreiben ist ein Handwerk, das man lernen kann.

In diesem Beitrag liste ich die zehn häufigsten Anfängerfehler beim Schreiben von Romanen auf und wie man sie verhindert. Dabei gilt jedoch, dass sich viele „Regeln“ und „Fehler“ an den heutigen Lesegewohnheiten orientieren. Entsprechend hat kaum ein Tipp Allgemeingültigkeit. Es kann immer gute Gründe geben, sich nicht an Empfehlungen zu halten.

Ziel, Motivation und Konflikt sind nicht erkennbar

Wenn sich nicht klar beantworten lässt, worum es in einem Buch eigentlich geht, und scheinbar wahllos Dinge aneinander gereiht werden, damit etwas passiert, liegt ein dramaturgisches Problem vor. Diese zu lösen, ist oft mit erheblichem Aufwand verbunden, da es um die Grundstruktur des Romans geht. Deshalb ist es wichtig, diese vorab zu durchdenken. Die drei wichtigsten Fragen sind die folgenden:

1. Was möchte deine Hauptfigur erreichen? Das ist ihr Ziel.
2. Warum möchte sie das erreichen? Das ist ihre Motivation, der innere Antrieb.
3. Wer bzw. was steht der Zielerreichung im Weg? Das sorgt für den Konflikt.

Wenn du die Antworten auf diese Fragen kennst, kannst du daran die Handlung deiner Hauptfigur orientieren und einen stringenten Handlungsbogen aufbauen.

Szenen beginnen mit dem Aufwachen und enden mit dem Einschlafen

Viel zu oft beginnen oder enden Szenen mit dem Aufwachen oder Einschlafen, vermutlich da es sich stimmig anfühlt, einen ganzen Tag zu erzählen. Dabei wird nicht alles, was an einem Tag passiert, interessant sein. Ist der Moment des Aufwachens bzw. Einschlafen wirklich relevant für deine Handlung? Wenn nicht, kannst du ihn streichen. So kommst du näher an die eigentliche Handlung ran.

In dem Zuge kannst du auch alle anderen Kapitelanfänge und -enden auf Relevanz prüfen. Vielleicht brauchst du ein wenig, um dich zu beginn warmzuschreiben, und am Ende suchst du einen sanften Ausstieg aus einer Szene, sodass die Spannung abfällt. Probier doch mal, ob deine Anfänge und Enden interessanter werden, wenn du die ersten und letzten Absätze streichst.

Infodump

Eine Infodump ist eine Flut von Informationen, die sich nicht organisch in die Geschichte einfügen. Oft entsteht eher der Eindruck, dass die verfassende Person all ihr Wissen teilen möchte. Dabei muss deine Leserschaft nicht alles wissen, was du weißt.

Findest du in deinen Texten lange Absätze, in denen du Hintergrndinformationen über Figuren oder die Welt wiedergibst? Dann überlege dir, welche Infos die Leserschaft wirklich braucht und zu welchem Zeitpunkt. Lasse sie Stück für Stück integriert in die Handlung einfließen. Der Spaß beim Lesen liegt ja auch darin, eine Welt nach und nach erkunden zu können.

Langweilige Figurenbeschreibungen

Vermeide eine Aneinanderreihung von optischen Merkmalen wie Statur, Frisur, Haar- und Augenfarbe, vorallem wenn du jede neue Figur so einführst. Stattdessen kannst du überlegen, was wirklich wichtig ist, und dich auf wenige besondere Merkmale konzentrieren. Im Idealfall integrierst du diese Aspekte auch in die Handlung, statt eine Aufzählung daraus zu machen.

Wichtig ist auch, aus wessen Sicht eine Figur beschrieben wird. Kennt deine Perspektivfigur das Gegenüber schon? Dann würde es seltsam wirken, detailliert auf das äußere Erscheinungsbild einzugehen. Das würde eher passen, wenn das Gegenüber noch unbekannt ist. Aber auch da könntest du dich fragen, was deiner Perspektivfigur am ehesten ins Auge springen würde.

Brüche in der Erzählperspektive

Mache dir bewusst, aus welcher Perspektive du die vorliegende Szene schreibst. Sofern du nicht den Allwissenden (bzw. Auktorialen) Erzähler verwendest, bist du in der Darstellung von Handlung, Gedanken und Gefühlen auf die Dinge beschränkt, die deine Perspektivfigur wahrnehmen kann.

Eine Perspektivfigur kann z.B. nicht wissen, dass sie rot wird, wenn sie nicht grade in den Spiegel guckt. Vielleicht spürt sie jedoch, dass ihr Gesicht heiß wird. Sie kann auch nicht wissen, was in einer anderen Figur vor sich geht. Aber anhand der Körpersprache kann sie eine Vermutung anstellen.

Zu viel „Tell“, zu wenig „Show“

„Show, don’t tell“ ist eine Schreibregel, die dabei helfen soll, Kopfkino und Emotionen bei deiner Leserschaft zu wecken. Es gilt darum, bildlich und mit allen Sinnen zu schreiben (show). Zu vermeiden ist das behauptende und nacherzählende Schreiben (tell).

Beispiel Tell: Er weint. Seine Freundin hat ihn verlassen. Nur einen Brief hat sie hinterlassen.

Beispiel Show: Tränen laufen ihm über das Gesicht, tropfen auf den Abschiedsbrief. Die Worte „Es ist aus“ verschwimmen.

Gerade bei dieser Regel ist es wichtig zu betonen, dass man sich nicht sklavisch daran halten sollte. Beide Aspekte haben ihre Berechtigung. Wenn „show“ jedoch zu kurz gerät, vorallem bei zentralen Szenen des Romans, läufst du Gefahr, dass Atmosphäre und Gefühl zu kurz kommen.

Zu viele Adjektive und Adverbien

Markiere einmal alle Adjektive und Adverbien einer Szene. Danach schaust du dir jede einzelne Markierung dahingehend an, ob das Wort durch ein treffenderes Verb ersetzt werden kann, was häufig ein viel stärkeres Bild erzeugt. Alternativ kannst du auch prüfen, ob du das markierte Wort streichen kannst. Bietet es an dieser Stelle einen Mehrwert, wenn es stehenbleibt?

Beispiel: Sie liebte das große, pinke Haus.

Hier würde ich „groß“ streichen. Da sich jeder unter einem großen Haus etwas anderes vorstellen wird, ist das Wort an dieser Stelle wenig aussagekräftig. Wenn betont werden soll, dass dieses Haus ungewöhnlich groß ist im Vergleich zu anderen Häusern, könnte dies durch eine Beschreibung wie „riesig“ oder „gigantisch“ deutlich gemacht werden, auch wenn sich darunter jeder noch was anderes vorstellen kann. Das Wort „pink“ ist hier interessant, da es eine ungewöhnliche Farbe für ein Haus ist.

Beispiel: Sie lief schnell los, um das Kind aufzuhalten.

Umformulierung: Sie rannte los, um das Kind aufzuhalten.
Durch das treffendere Verb wird die Dringlichkeit der Situation hervorgehoben.

Zu viele Füllwörter und Abschwächer

Sammle Füllwörter (z.B. dann, nun, echt …) und Abschwächer (z.B. fast, eigentlich, mal …), die du oft verwendest, auf einer Liste. Setze die Suchfunktion ein, um sie zu finden, und prüfe, ob du sie streichen kannst. Füllwörter blähen deinen Text auf, ohne ihm einen Mehrwert zu geben. Mit Abschwächern wirkt eine Aussage weniger stark.

Abgenutzte Ausdrücke

Vielleicht hast du auch den Eindruck, dass manche Formulierungen in Büchern überhand nehmen. Vielleicht merkst du, dass auch du instinktiv zu den immer gleichen Formulierungen greifst. Dann sammle Ausdrücke, die du vermeiden möchtest, und überlege, wie du den Inhalt anders ausdrücken kannst.


Beispiel: Das Herz schlug mir bis zum Hals.

Alternative: Mein Herz glich einem Presslufthammer.

Indirekte Wahrnehmung

Die Leserschaft weiß, aus welcher Perspektive sie einem Geschehnis folgt. Es ist in den meisten Fällen nicht erforderlich, zu betonen, dass die Perspektivfigur etwas sieht, hört, spürt … Prüfe daher deinen Text auf Konstruktionen aus Personalpronomen + Verb der Wahrnehmung und formuliere sie um.

Beispiel: Ich sah, wie das Kind über einen Ball stolperte.

Umformulierung: Das Kind stolperte über den Ball.

Und in dem Zusammenhang noch ein ergänzender Tipp: Auch Possessivpronomen sind überflüssig, wenn eh klar ist, um wessen Gegenstand oder Körperteil es sich handelt.

Beispiel: Ich schloss meine Augen.

Ja, wessen Augen denn sonst? Daher: Ich schloss die Augen.

2 Antworten

  1. Liebe Johanna,
    vielleicht schreibe ich doch nochmal einen Roman. Bisher Bin ich bei eher fachlichen Blogartikeln und habe mich an die „große Nummer“ noch nicht getraut. Lieben Dank für Deine Tipps, Hilke

    1. Liebe Hilke,
      es freut mich sehr, wenn die Tipps dir vielleicht irgendwann bei deinem Roman helfen. Lass dich nur nicht aus Angst davon abhalten, wenn du eine Geschichte hast, die du eigentlich gern erzählen möchtest. 🙂

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Autorin, Lektorin & Story Coach. 

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